Logo Kurt Scheuerer, Ingolstadt Kurt Scheuerer - Anmerkungen zur Mythologie  
Inanna
Erblühen im Schmuck - Zu den Insignien antiker Göttinnen

 

Inanna

Älteste Kunde vom Schmuck antiker Göttinnen erfahren wir aus dem sumerischen Mythos von Inannas Gang in die Unterwelt, welcher in variierter Form auch von der babylonischen Ischtar vorliegt.
"Von dem »Großen Oben« auf das »Große Unten« richtete sie ihren Sinn" (Zitiert nach: Kramer, Samuel N. Geschichte beginnt mit Sumer. 1959. S. 121-129.), die Himmelskönigin begehrte auch das Reich ihrer älteren Schwester Ereschkigal:

"Inanna verließ Himmel und Erde, ...
In die Unterwelt stieg sie hinab.
Die sieben göttlichen Gesetze befestigte sie an ihrer Lende, ...
Die Schugurra, die Krone der Ebene, setzte sie sich auf das Haupt,
Locken ihres Haares ordnete sie auf der Stirn,
Den Meßstock aus Lapis-Lazuli und die Meßleine nahm sie zur Hand,
Kleine Lapis-Lazuli-Steine band sie um den Hals,
Zwei Nunuz-Steine befestigte sie an der Brust
Einen Goldring nahm sie zur Hand,
Den Brustschild »Komm, Mann, komm« schnallte sie um die Brust,
Mit dem Pala-Gewande der Herrscherin bedeckte sie ihre Glieder,
Die Salbe »Möge er kommen, möge er kommen« strich sie auf ihre Augen.
Inanna machte sich auf den Weg in die Unterwelt."

Ereschkigal hatte die Absicht Inannas erkannt und ordnete ihre Torwächter an, Inanna wie eine gewöhnliche sterbliche Frau zu behandeln:
"Von den sieben Toren der Unterwelt löse die Riegel, ...
Da sie eintritt,
Tief gebeugt, laß sie nackt vor mir erscheinen."

An jedem der sieben Tore wurde ihr ein Teil ihrer Würdezeichen weggenommen:
1. die Schugurra, die »Krone der Ebene«
2. der Meßstock aus Lapis-Lazuli und die Meßleine
3. die kleinen Lapis-Lazuli-Steine um ihren Hals
4. die beiden Nunuz-Steine an ihrer Brust
5. der Goldring an ihrer Hand
6. der Brustschild »Komm, Mann, komm«
7. das Pala-Gewand der Herrscherin.

Im Mythos von Ischtars Gang zur Unterwelt, ins »Land ohne Wiederkehr«, musste Ischtar ebenfalls an jedem Tor etwas ablegen (zitiert nach: MacCall, Henrietta. Mesopotamische Mythen. Stuttgart 1993. S. 129.):
1. die Krone
2. die Ringe aus den Ohren
3. die Perlen, die sie um den Hals trägt
4. die Spangen von ihrer Brust
5. der Gürtel aus »Geburts-Steinen«
6. die Reifen von ihren Handgelenken und Fesseln
7. das prachtvolle Kleid, das ihren Körper bedeckt

Inanna ist Himmelskönigin, Herrin des »Großen Oben«. Als sichtbare Zeichen ihrer Würde trägt sie ein Diadem und vielfältigen Schmuck. Letzterer wäre wohl nicht derart ausführlich aufgezählt worden, wenn er nicht auch symbolhaften Charakter gehabt hätte. Nach Ablegen ihrer Insignien und ihrer Kleider ist sie nun nicht mehr von den Sterblichen zu unterscheiden und somit offenbar machtlos. Sie kann daraufhin von Ereschkigal, der Herrin des »Großen Unten«, trotz ihrer Göttlichkeit durch das »Zorneswort« getötet werden.
Von Enki erhielt Inanna Hilfe. Er schuf zwei Wesen, die den Leichnam wieder zum Leben erwecken sollten:
"Das eine beträufte ihn mit der »Speise des Lebens«, das andere mit dem »Wasser des Lebens«.
Inanna stand auf."
Beim Gang zur Oberwelt erhielt sie Kleidung, Schmuck und Krone in umgekehrter Reihenfolge wieder zurück - und gleichzeitig wohl auch ihre göttliche Macht.

Die besondere Bedeutung des Schmucks für Frauen und Männer kann auch heute noch im gesamten vorderen Orient beobachtet werden. Er muss prächtig sein und schwer. ("Euer minderes Gold würde ich nie tragen!", bedeutete mir eine Perserin.) In vergleichbarer Weise dürfte das Anstecken von Geldscheinen an die Kleidung des orientalischen Brautpaares zu deuten sein. Ihre goldenen Ringe sind die Rückversicherung der Inderin für den Fall der Witwenschaft.

Kurt Scheuerer, Ingolstadt 1998


Aus dem Katalog zur Ausstellung
Das Geheimnis des Bernstein-Colliers
Ingolstadt 1998. S. 85-89.


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